C A R A O R M A N - M O L O C H

Ein anderes anschauliches Beispiel für die Sünden an der Natur findet sich im Herzen des Deltas bei den Sanddünen von Caraorman, die heute als Naturdenkmal streng geschützt sind. Haushohe Sanddünen und ein einzigartiges Urwaldgebiet breiten sich hinter dem alten Dorf Caraorman aus. Ein schnurgerader, auffallend breiter Kanal führt vom Sulinaarm zu dem Dünengebiet.

Riesige Industrieminen und halbfertige Wohnblocks verstellen den Blick auf das langgestreckte Straßendorf. Hier hatte Ceausescu ein Kombinat zur Gewinnung von Kristallen und Gold bauen lassen. Die Sanddünen sollten abgetragen und der Sand in den großen Anlagen ausgewaschen werden. Der Kanal wurde so breit angelegt, damit die Fließgeschwindigkeit des Wassers sich stark erhöhte und für die Auswaschung des Sandes genutzt werden konnte. Am Ende wäre hier statt der Sanddünen ein 40 Meter tiefer Krater übriggeblieben. Der schnellere Lauf des Kanalwassers hat bereits erhebliche Schäden verursacht: Der Kanal mündet in eine Seenplatte, die wiederum mit einem Ausfluß ins Schwarze Meer versehen wurde. Wenige Jahre nach Eröffnung des Kanals waren die Seen stark versandet und verschlammt und verlandeten zunehmend. Der Fischbestand war bedrohlich zurückgegangen, viele andere Tiere hatten das Gebiet verlassen.

Dem Besucher von Caraorman bietet sich zunächst ein wüstes Bild von verrottenden Industrieanlagen, verrottenden Wohnblocks und großen Brackwassern. Die Bewohner des Dorfes aber jammern dem Niedergang der vermeintlichen Goldmine nach, haben immer noch nicht begriffen, daß durch diese Anlage binnen weniger Jahre alle ihre Lebensgrundlagen vernichtet worden wären. Die Ausbeute des Sandes hätte nur für kurze Zeit neue Arbeitsplätze geschaffen, aber der Goldrausch hätte die Zerstörung der Fischgründe und Schilfflächen zur Folge gehabt. Jetzt träumen die Leute von Caraorman davon, aus den Rohbauten der Wohnblocks ein Touristenhotel zu machen - mit schöner Aussicht auf die Industrieruinen. Die Dünen, die vogelreiche Seenplatte und der nahe Urwald wären nach ihrer Vorstellung ein ertragreiches Ziel für Touristenführungen. Deshalb sind sie sehr wütend darüber, daß die Regierung den Caraormanwald und die Dünen zur streng geschützten Zone erklärt hat, die von Touristen nicht betreten werden darf. Am liebsten würden die Fischer die Ökopolizisten, die seit einigen Jahren über die Einhaltung der Näturschutzbestimmungen im Donaudelta wachen, über den Haufen schießen. Der Umstand, daß es den Dorfbewohnern seit einiger Zeit verboten ist, im Wald ihr Brennholz zu schlagen, wie sie es seit Menschengedenken gewohnt sind, schürt ihre Wut noch mehr.